Die erste Seite des
Landlibells von 1511 (Landes-
regierungsarchiv, Innsbruck) |
Das Landlibell kann als eine die Landesverteidigung regelnde Verfassungsurkunde bezeichnet werden. Sie wurde nach Verhandlungen mit der Tiroler Landschaft, d.h. mit den Tiroler Ständen erlassen. Dementsprechend wird am Ende der Urkunde ausdrücklich festgestellt, daß Maximilian „die vorgenannten Ordnungen und Artikel, die unsere Landschaft beschlossen und sich darüber geeinigt hat, zu gnädigen Wohlgefallen angenommen“ hat.
Die personelle Grundlage dieser Landesverteidigungsordnung bildet das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht aller tauglichen männlichen Untertanen des Landes
Das Aufgebot erfolgt einerseits gerichtsweise bzw. durch die Gerichtsobrigkeit eines jeden Gerichtsbezirkes, andererseits in Entsprechung zum Grad der Bedrohung des Landes in fünf gestaffelten Aufgeboten. Das erste Aufgebot umfaßte in Summe höchstens 5000 Mann, das zweite Aufgebot 10.000 Mann, das dritte 15.000 und das vierte Aufgebot 20.000 Mann. „Wenn aber die Feindesgefahr so groß und überraschend ist, daß die Streitmacht von 20.000 Mann nicht rechtzeitig ins Feld kommt, … so sollen inzwischen die der Gefahr am nächsten Befindlichen aus allen Ständen zuziehen und solange bleiben, bis die obgenannten 20.000 Mann ins Feld kommen.“ Dieses fünfte oder letzte Aufgebot sollte durch „Glockenstreich“ d.h. durch Sturmgeläute aufgerufen werden. Diejenigen aber, „welche nach solchem Glockenstreich oder glaubhaften schriftlichen Aufforderungen nicht zuziehen, sollen an Leib und Gut bestraft werden.“
Während also die Tiroler Landstände die Mannschaften für die Aufgebote stellten, übernahm der Landesfürst die Verpflichtung, „Vorsorge zu treffen für die notwendigen Geschütze, Pulver, Kugeln, Werkleute, Büchsenmeister, auch Harnisch und Wehr und anderes Kriegsmaterial, desgleichen, daß die Kästen (d.h. die Magazine) mit Getreide, Fütterung und Mehl ausreichend versehen“ sind. Auch die Instandhaltung der Befestigungsanlagen an den Landesgrenzen war landesfürstliche Aufgabe.
Abgesehen von dieser Aufteilung der Pflichten zwischen Landschaft und Landesfürst enthält das Landlibell auch gegenüber dem Landesfürsten die einschränkenden Bestimmungen, wonach er einerseits künftig ohne Wissen und Bewilligen der Landstände keinen Krieg anfangen solle oder wolle, der Tirol betreffe. Andererseits nimmt er zur Kenntnis, daß die Landstände bzw. Tirols Wehrmänner „nicht schuldig und verpflichtet sein, mit solcher ihrer Hilfe des kleinen oder großen Anschlags (bzw. Aufgebots) a u s unserem Land zu ziehen, sondern diese Hilfe einzig und allein als Hilfe zu Verteidigung, Widerstand gegen die Feinde und Bewahrung des Landes“ in Anspruch genommen werden kann.
In einem wesentlichen Punkt unterscheiden sich die Bestimmungen des Landlibells von der späteren Praxis: im Landlibell wird verfügt, daß die Hauptleute der Aufgebote „durch uns“, also durch den Landesfürsten ernannt werden, während seit beginnenden 17.Jhd. die Aufgebotskommandanten von den Mannschaften selbst erwählt und lediglich von den landesfürstlichen Behörden bestätigt worden sind.
Die mit den Tiroler Landständen konöderierten geistlichen Fürstentümer Brixen und Trient, die an dem Landlibell ebenfalls mitwirkten, zogen in Kriegsfällen allerdings nicht unter Tiroler Fahne, sondern unter eigenem „Fähnlein“ ins Feld.
Bereits vor 1511 war es allgemein üblich, daß jedem Gerichtsaufgebot eigene Fahnen vorangetragen wurden. Die ältesten urkundlichen Belege hierfür liegen aus 1410 und 1496 vor. So zogen die Bürger von Hall im Jahr 1410 „mit aufgeworfenen Bannern“ an die Landesgrenze, während den Aufgeboten des Landgerichts Laudegg im obersten Inntal und jenem des Passeiertales im Jahre 1496 durch Maximilian die Führung seiner Fahne verliehen und bestätigt worden ist. Die älteste erhaltene Aufgebotsfahne, die auf grund des heraldischen Dekors in die Zeit zwischen 1490 und 1508 zu datieren ist, ist vermutlich die Fahne des Bergknappenaufgebotes von Schwaz.
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1511
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Kaiser Maximilian erläßt das Landlibell, das die Verpflichtung zur Selbstverteidigung Tirols durch alle Stände begründete; es ist das Grunddokument für die Tiroler Wehrhaftigkeit, bestätigte die tirolischen Landesfreiheiten und hat die Sonderentwicklung des Landes innerhalb Österreichs mitbestimmt.
So wie jede Landesordnung, so bedurfte auch die Landesverteidigungsordnung von 1511 von Zeit zu Zeit gewisser Reformen, Änderungen und Anpassungen an die veränderten politischen und militärischen Gegebenheiten der Zeit. |
1526
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Zuzugsordnung, die den örtlichen Einsatz des Aufgebots an den Südgrenzen regelt; diese Zuzugsordnung wurde 1542 auch auf die nördlichen Landesgrenzen ausgedehnt. |
1552
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Niederlage der Aufgebote gegen die schmalkaldischen Truppen; Verlust der Festung Ernberg. |
1605
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Zuzugsordnung Erzherzog Maximilians III., der „Deutschmeister“; zum ersten Mal wird das „Welschtiroler Viertel“ (Welschen Confinen) genannt. Neu war die Bewaffnung mit Musketen. |
1636
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„Landt-Militia“ – Reformationslibell der Claudia de Medici. Erste „Militarisierung“ der Landesverteidigung, die auf wenig Gegenliebe bei den Ständen und der Bevölkerung stieß |
1660
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Rückkehr zum Aufgebot des Landlibells |
1703
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Die Tiroler Schützen erleben ihre erste Bewährung im sog. „Boarischen Rummel“. |
1704
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auf grund der in den Auseinandersetzungen von 1703 gewonnenen Erkenntnisse wurde eine neue Zuzugsordnung erlassen; sie sah die Bildung eines Regiments, bestehend aus 12 Scheibenschützenkompanien zu je 200 Mann vor. Erstmals wurden die Schützen als eigene Truppe neben dem Militär als Teil der Landesverteidigung geführt. Die Verordnung verbesserte das Informationswesen: Kreidefeuer als Informationsmittel, die im Boarischen Rummel zu Mißverständnissen geführt hatten wurden durch die sog. „Laufzettel“ ersetzt. |
1714
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Ergänzung der Zuzugsordnung von 1704; Bildung von 2 Regimentern, später von 4 Regimentern zu je 4000 Scheibenschützen;
Eine wichtige Grundlage zur realen Anwendung der Bestimmungen des Tiroler Landlibells in den folgenden Zeiten, waren die regelmäßig in jedem Gericht durchzuführenden Musterungen, wovon eine Reihe aufschlußreicher „Musterungslisten“ erhalten geblieben sind.
Nicht weniger wichtig war die regelmäßige Schießausbildung und Schießübung an den Schießständen, deren sich in jedem Gericht je nach dessen Größe und Ausdehnung mindestens einer oder mehrere befunden haben. Grundlage dafür bot die |
1736
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von Kaiser Karl VI erlassene Schießstandordnung, die fast hundert Jahre Bestand haben sollte; sie regelte in 75 Artikeln das Schieß- und Schützenwesen in Tirol; es anerkannte das Tirolische Defensionswesen als eigenständiges Verteidigungssystem neben jenem des restlichen Kaiserreiches. In der Folge entstanden in vielen Orten Tirols Schießstände.
Zeit eine Differenzierung der Landesverteidiger in zwei Gruppen, in jene der Standschützen und in jene der Landstürmer oder Milizioten.
Die Standschützen waren Schützen, die sich geradezu vereinsmäßig als Mitglieder eines Schießstandes einschreiben bzw. „einrollieren“ ließen. Sie verpflichteten sich zu einer intensiven Scharf- und Scheibenschützen-Ausbildung. Die von diesen Scharfschützen gebildeten Defensions-Kompagnien waren wegen ihrer Treffsicherheit von den Kriegsgegenern gefürchtet. Für ihre Einsätze bevorzugten sie Talengen und Klausen.
Die Landstürmer oder Angehörige der Landmilitia hingegen verzichteten auf eine gezielte Scharfschützen-Ausbildung und kamen nur der militärischen Präsenz- und Einsatzpflicht nach, d.h. sie rückten im Ernstfall im Rahmen des Gerichts-Aufgebots mit ihrem Stutzen ins Feld. |
1796
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erste große Bewährungsprobe des Tiroler Selbstverteidigungssystems in den ersten Revolutionskriegen gegen Napoleon I. (Schlacht bei Spinges – 4. April 1796 – Schlachten bei Bozen, Segonzano und Rivoli). In den Kriegsberichtserstattungen werden zum ersten Mal die Begriffe Schützenkompanien in Verbindung mit dem Namen eines Gerichts oder Ortschaft verwendet; Gemeinde-Kompagnien konnten sich nur dort bilden, wo ein entsprechendes Bevölkerungswachstum vorlag. |
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Schlacht am Bergisel am 13. August 1809. Buchhütte, Josef Thalguter mit den Meranern
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1809
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Tiroler Befreiungskriege unter Führung von Andreas Hofer; Tiroler Schützen befreien das Land von bayrischer und französischer Besetzung. Drei „Bergiselschlachten“ |
1810
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20.Februar 1810 – Erschießung Andreas Hofers in Mantua sowie anderer Schützenkommandanten. Tirol wird dreigeteilt in Etschkreis (Königreich Italien) Innkreis (Bayern) und Illyrischen Kreis (Kärnten) |
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Andreas Hofer, Oberkommandant von Tirol und Anführer des Tiroler Aufstandes 1809 |
1815
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Wiener Kongreß – Wiedervereinigung Tirols als Habsburgischen Erb-Kronland. |
1839
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erschien anläßlich der „Erbhuldigung der Tiroler Stände vor Kaiser Ferdinand I“ in Innsbruck eine Dokumentation von Beda Weber, in der alle daran teilnehmenden Schützenkompanien genannt wurden |
ab 1838
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faktisches Ende des Selbstverteidigungssystems der Tiroler durch Einführung der zwangsweisen Rekrutierung, wie in den übrigen Teilen des Reiches; einzige Besonderheit: der Militärdienst mußte nur im eigenen Land absolviert werden; auch dieses Versprechen wurde 1866 bzw. 1914 von der Krone gebrochen |
1838
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Gründung des Tiroler Jägerregiments, das bis 1914 ausschließlich aus Tirolern gebildet wurde und nur zum Schutz des Landes eingesetzt werden sollte. Entgegen dieser Regelung 1866 in den Kämpfen gegen das Königreich Italien eingesetzt. |
1848
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Ausrücken verschiedener Schützenkompanien an die südlichen Grenzen (Judikarien, Ampezzo – Gebiet, Stilfser Joch) gegen die Aufständischen der Märzrevolution; Gründung der Tiroler Studenten-Schützenkompanien unter Adolf Pichler (Innsbruck) und Prof.Böhme (Wien) |
1864
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eine neue Landesverteidigungsordnung gliederte das Aufgebot je nach Grad der Feindesgefahr in 1. Organisierte Landesschützenkompanien (6200 Mann), 2.freiwillige Scharfschützenkompanien und 3. der Landsturm; Das Institut der Landesverteidigung wird zu einer rein bürgerlichen Institution. Die allgemeine Wehrpflicht gilt nun auch in Tirol. |
1866
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Mobilisierung des 2. und 3. Aufgebots; Bildung einer „Freiwilligen Scharfschützenkompanie“ durch die Studentenverbindung „Rhätia“, „Athesia“ und „Austria“ unter Gymnasialprof. Josef Daum, sowie einer „Ersten Wien-Tiroler Scharfschützenkompanie“.
Landesverteidigung an den Landesgrenzen – im Vinschgau, Judikarien, Sulz- und Nonstal, Buchenstein, Ampezzo, Fleimstal. Gefechte bei Bezecca (SK Kitzbühel-Hopfgarten-Rattenberg-Schwaz), Gefecht bei Virgolo in der Valsorda (SK Fügen-Zell) |
1870
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Das Institut der Landesverteidigung als bürgerliche Einrichtung wird durch das Gesetz vom 19.12.1870 zu einem „integrierten Teil der bewaffneten Macht.“ Damit Ende des freiwilligen Selbstverteidigungssystems. Bildung einer Art Landmiliz. Die Landesschützen wurden in 10 Bataillonen mit 4 (6) Kompanien gegliedert. Die Offiziere – in Tiroler Schützenkompanien immer von den Schützen gewählt wurden ernannt. Dies wurde, trotz Widerstands des Tiroler Landtags 1874 sanktioniert. Darin wurde verfügt, daß die wehrpflichtigen Tiroler fortan – entweder im Rahmen der k.u.k. Armee bei den Tiroler Kaiserjägern oder im Rahmen der k.k. Österreichischen Landwehr bei den damals als militärische Einheit aufgestellten „Tiroler Landesschützen“ dienen konnten. Damit wurden dem alten Tiroler Schützenwesen die wehrpflichtigen Jahrgänge von 18. bis zum 42. Lebensjahr jeweils für die Dauer der Ableistung der Wehrpflicht entzogen. Nach der Ableistung der Wehrpflicht, bildeten diese Männer jedoch den Landsturm. Sowohl den Mitgliedern des Landsturms, wie den Männern unter dem 18. und über dem 42. Lebensjahr war es freigestellt, sich überdies bei einem Schießstand als „Standschütze“ einzurollieren. So entstanden die berühmten Standschützenregimenter und – Kompanien, die im Jahre 1915 nach der überraschenden Kriegserklärung Italiens und dem Einsatz der Tiroler Kaiserjäger an der Ostfront, in aller Eile mobilisiert wurden und die Südfront so lange hielten, bis die regulären Truppen eintrafen. |
1874
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Neue Schießstandsordnung. Der Begriff „Standschützen“ als Mitglieder dieser Schießstandvereine wird eingeführt. |
1883/1886
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Militarisierung der Tiroler Wehrverfassung. Der Landsturm als gesamtstaatliche Einrichtung wird dem militärischen Gesetz und Gerichtsbarkeit unterworfen. Der Einsatz außerhalb der Landesgrenzen wird sanktioniert. Außerdem konnten auch „Nicht-Tiroler“ Landesschützen werden. |
1914-1918
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Einsatz der Standschützen an der Südgrenze Tirols; Standschützen waren alle jene, die zu jung oder zu alt waren, um in die reguläre Armee einberufen zu werden; sie bildeten 1915 – nachdem die regulären Tiroler Regimenter in Galizien eingesetzt waren, das Rückgrat der Verteidigung gegen Italien. Sie führten erfolgreich den Krieg in Bergen (Monte Piano, Ortlerfront, Dolomitenfront.). Die südliche Tiroler Landesgrenze wurde nie militärisch im Kampf eingenommen. |
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Tiroler Standschützen im höchsten Schützengraben des Ersten Weltkrieges am Ortler-Vorgipfel auf etwa 3850 m Höhe im Jahr 1916
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1919
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Annexion Tirols durch Italien und Teilung. Der Faschismus verbietet alles Deutsche, die Tracht, die Institution Schützen. |