Sportliches Luftgewehrschießen
Man glaubt es kaum.
Da gibt es Frauen, Männer, Kinder, Senioren die stehen, sitzen oder liegen am Schießstand, oft in einem Keller von jeglicher frischen Luft abgeschnitten, mit ihren Luftgewehren auf eine Zielscheiben schießen und allen Ernstes behaupten dies sei ein Sport, welcher auch noch bei den olympischen Spielen ausgetragen wird!
Sieht man den Sportschützen bei ihrer Tätigkeit zu, so fadisiert man sich bald.
Kaum eine Bewegung – im Gegensatz zu einem „richtigen“ Sport – ist bei einem Schützen erkennbar. Das Zusehen kann einem auch nur langweilen, da die einen eh immer „nur“ Zehner fabrizieren und die Anderen wiederum ihre Schüsse mehr oder weniger gleichmäßig auf oder neben der Zielscheibe verteilen…
Betrachtet man diesen „Sport“ und dessen Umgebungsbedingungen jedoch etwas genauer, so kann man die eine oder andere Überraschung erleben.
Sehen wir uns einmal nur die Stellung „stehend frei“ eines Luftgewehrschützen an.
Dieser steht einfach nur da und hält die Waffe – ja auch laut Waffengesetz handelt es sich um eine Schusswaffe – in der Hand. Ab und zu drückt er auf den Abzug und ein – je nachdem wo das Loch in der Zielscheibe entstanden ist – mehr oder weniger erfreutes Gesicht lässt auch den Zuschauer erahnen wie es soeben dem Schützen ergangen ist.
Dieses nur „einfach dastehen“ beinhaltet aber genau in sich selbst eine Herausforderung für den Schützen. Der menschliche Körper ist gebaut um in Bewegung zu bleiben und so reagiert der Körper auf längeres ruhiges Stehen sehr empfindlich.
Der Kreislauf wird hier auf die Probe gestellt, da das Herz während dieser Zeit sämtliche Organe – im speziellen auch das Auge – mit genügend Blut und Sauerstoff versorgen muss.
Ist die Ausdauerkondition eines Schützen entsprechend gut, so kann der Körper diese für ihn außergewöhnliche Belastung für die Dauer eines Wettbewerbes (meist eine Stunde) gut durchhalten. Dementsprechend ist für einen guten Schützen auch eine gute körperliche Kondition wichtig. Diese trainiert er sich bei Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren, Schwimmen, etc. an.
Zusätzlich sind spezielle Muskelpartien für diesen Sport notwendig.
So ist die Bauchmuskulatur gefordert den Oberkörper bei jedem Zielvorgang – ohne dass sie voll angespannt ist – in einer ausgewogenen Position zu halten und auch noch das zusätzliche Gewicht eines Luftgewehrs (max. 5,5 kg) zu tragen.
Sind die Bauchmuskeln zu wenig trainiert, so beginnt man zu schwanken oder man versucht durch unnatürliche Verrenkungen die Lendenwirbelsäule erfolglos zu stabilisieren.
Das Stehen beginnt jedoch bei den Füßen…
Der Schütze versucht mit seinem gesamten Körper dem Gewehr eine stabile Auflage zu bereiten.
Möglichst kraftlos muss dies geschehen, da sich bei der Abgabe von einem Schuss jene Muskeln schlagartig entspannen, die über eine bestimmte natürliche Muskelanspannung hinaus angespannt sind. Ein angespannter Muskel würde eine leichte Bewegung des Gewehrlaufs während des Schusses zur Folge haben, welche wiederum ein schlechtes Ergebnis nach sich zieht.
Dieser natürliche Muskeltonus geht nun aus dem Trainingszustand des Schützen hervor.
Für einen guten natürlichen Muskeltonus spielt aber auch eine gesunde ausgewogene Ernährung eine nicht unwesentliche Rolle.
Die einfache „hau drauf Methode“ bringt auch beim Sportschießen selten gute Ergebnisse und blinde Hühner finden nur selten Körner…
Es geht darum bei jedem Schuss nicht nur den Zielvorgang gut vorzubereiten, sondern auch noch den Schuss zum „richtigen“ Zeitpunkt – also dem Zeitpunkt des maximalen Ruhens des Gewehrs im Zentrum – abzugeben und zu halten.
Also auch eine Frage des Timings.
Und dieses beginnt bereits mit der Vorbereitung vor dem eigentlichen Schießen.
Spätestens mit den Dehnungsübungen der Muskeln, ist ein Ablegen der Sorgen, Ängste und vor allem aller Gedanken, welche nicht unmittelbar mit dem hier und jetzt zu tun haben, dringend zu empfehlen.
Nicht erst beim Betreten des Schießstandes sollte eine innere Ruhe und Gelassenheit vorhanden sein. Denn nun beginnt die eigentliche Vorbereitung.
Die Einstellung des Nullpunktes.
Der Körper wird dabei so ausgerichtet, dass man sich – das Gewehr im Anschlag – bereits im Zentrum des Ziels befindet.
Denn nun folgt, bei den ersten Probeschüssen, die Feineinstellung des Körpers und des Gewehrs auf das Ziel.
Das Gewehr wird geladen, am Körper positioniert (in den Anschlag gebracht), der Kopf am Schaft abgelegt.
Es beginnt der mentale Spaziergang durch den Körper.
Von den Zehenspitzen beginnend wird jeder Muskel des Körpers dahingehend überprüft, ob er richtig positioniert ist und sich in der korrekten (Ent-) Spannung befindet.
Hat man diesen Spaziergang beim letzten Muskel (meistens der Muskel des Abzugsfingers) beendet, so folgt der erste Blick durch das Visier auf die Zielscheibe.
Nachdem sich der der Lauf etwas oberhalb der Zielscheibe befindet, atmet man langsam aus. Damit senkt sich der Lauf in Richtung Scheibenmittelpunkt.
Dabei muss die bereits eingestellte Körperspannung im vorher definierten Zustand erhalten bleiben – das Auge darf nicht abschweifen – das Gehirn muss sämtliche an das Ohr dringende Geräusche als nicht relevant abweisen – und der Abzugsfinger muss zum Zeitpunkt des ruhigsten Moments des Gewehrlaufs innerhalb einer hundertstel Sekunde mit einem minimalen Druck und einer kleinen Bewegung den Abzug veranlassen die Kugel durch den Gewehrlauf in Richtung Ziel zu treiben – und Schuss. Nun muss das Gewehr noch für mindestens eine Sekunde im Ziel gehalten werden, da sich die Kugel ja noch durch den Lauf in Richtung Ziel bewegt.
Dann wird das Gewehr wieder in seine Ruheposition gebracht und die Vorbereitung auf den nächsten Schuss kann sowohl körperlich als auch mental wieder beginnen – Schuss für Schuss.
Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass es hier nicht nur um das Ergebnis eines Einzelnen geht. Die Ergebnisse der einzelnen Schützen werden meistens zu Mannschaftsergebnissen aufsummiert.
Und damit auch hier das Ergebnis passt, bedarf es – wie auch bei allen anderen Mannschaftssportarten – einer sozialen Verträglichkeit und Kompetenz jedes Einzelnen, damit gute Mannschaftsergebnisse erzielt werden können.
Verantwortung für sein Tun – egal ob mit der Waffe, seinem Körper, seinem Geist oder den MannschaftskollegInnen ist hier notwendig.
Sieht man sich das sportliche Luftgewehrschießen aus diesem Blickwinkel an, so handelt es sich dabei nicht mehr nur um eine fade Angelegenheit …
Ein Sport der die Fokussierung auf ein Ereignis legt, welches sich im Bereich einer hundertstel Sekunde abspielt, mit einer Vorbereitungszeit, welche teilweise Jahre dauert.
Ein Sport der als Voraussetzung körperliches Feingefühl und – speziell bei Wettkämpfen – auch taktisches Geschick erfordert.
Ausdauer – Konzentration – mentale Stärke – Teamgeist sowie zielorientiertes Handeln als Grundeinstellung – sind beim sportlichen Luftgewehrschießen jene Eckpfeiler die zum persönlichen Erfolg führen.